von Sabine Hedewig-Mohr
Susanne Maisch war 25 Jahre lang Geschäftsführerin und Gesellschafterin beim Marktforschungsinstitut EarsandEyes und hat sich dann als Coach und Trainerin selbständig gemacht. planung&analyse sprach mit ihr über Herausforderungen für Führungskräfte in agilen, digitalen, diversen, disruptiven Zeiten.
Frau Maisch, was ist Ihr Ziel in Ihrem neuen Unternehmen?
Meine neue Rolle ist es, die Personalentwicklung in Unternehmen in der Fort- und Weiterbildung zu unterstützen, in erster Linie in der Entwicklung von Führungskräften. Eine aktuelle Frage ist beispielsweise, wie ich mich entwickeln und ausrichten sollte, wenn sich die Arbeitswelt so massiv verändert, wie zur Zeit. Ich baue Brücken, um die Angst vor dem Kontrollverlust, den viele ältere Führungskräfte haben, zu nehmen. Es ist wichtig, sich mit den aktuellen Entwicklungen und Themen wie Agilität, Diversität und New Work auseinanderzusetzen und seinen Führungsstil entsprechend anzupassen. Und natürlich unterstütze ich Unternehmen zum Thema Frauen in Führung, das liegt auf der Hand.
Sie waren selbst 25 Jahre als Unternehmerin tätig. Wie sind Ihre Erfahrungen als weibliche Führungskraft?
Ich habe mich bei Anfragen etwa zum Thema "Sie als Frau und Unternehmerin" immer zurückgehalten. Ich wollte über das Unternehmen sprechen und nicht über mich in der Rolle der weiblichen Führungskraft. Es war Anfang der 2000er auch nicht üblich, als Geschäftsführerin nicht immer erreichbar zu sein.
Ich habe mich manches Mal nachmittags zum Telefonieren in der Speisekammer zurückgezogen, während mein Sohn - der ist jetzt 26- im besten Fall im Kinderzimmer gespielt hat und im schlimmsten Fall gerade einen Wutanfall bekam. Da konnte ich nicht einfach sagen: "Entschuldigung, ich muss mal gerade meinen Sohn auf den Arm nehmen." Das hat sich heute zum Glück stark gewandelt. Auch durch die Pandemie. Jetzt sitzen die Kinder beim Meeting mit dabei, eben auch bei Männern auf dem Schoß. Das wird dann als cool angesehen. Während es bei Frauen immer noch ein bisschen unprofessionell ankommt, wenn sie das nicht " im Griff" haben. Da ist der sogenannte Unconscious Bias größer, als man vermutet. Aber das ist ein anderes Thema.
Zurück zur Führung. Mit welchen Skills sollte eine Führungskraft heute ausgestattet sein?
Ich habe mir dazu viele Gedanken gemacht und ein Training aufgesetzt: Coaching als Führungsstil. Ich sollte als Führungskraft wie ein Coach denken und wie ein Coach führen. Das darf man nicht mit einem professionellen Business Coach verwechseln. Es hat in erster Linie etwas mit der inneren Haltung zu tun. Ich kann Druck, Angst und Macht ausüben und auf den Tisch hauen. Dann tun die Mitarbeitenden, was ich gesagt habe. Aber nicht, weil sie es gut machen wollen, sondern weil sie mich fürchten. Ich bekomme dann zwar Respekt, aber wenig Sympathie. Weniger laut, aber auch schwierig ist es, zu nett zu sein und alles laufen zu lassen.
Dann mögen mich meine Leute zwar, aber ich bekomme Abgrenzungs-schwierigkeiten, werde nicht ernst genommen und die Performance leidet. Ideal ist es, durchsetzungsstark, empathisch und offen zu sein und mit einer sogenannten Haltung der freundlichen Stärke in Führung zu gehen.
Als Coach sollte ich meinen Mitarbeitenden gegenüber Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Denn die meisten Lösungen sind in den Menschen selbst vorhanden. Es sei denn, die Person ist auf der falschen Position. Aber das zu erkennen, ist ebenfalls sehr wichtig. Kommunikation ist ein zentrales Thema bei der wirksamen Führung. Und es gehören natürlich Dinge dazu wie delegieren können, klar zu sein in der Sprache und Vorbild zu sein. Dann gibt es noch das ganze Thema Feedbackkultur. Wie nehme ich Feedback, wie gebe ich es? Was können meine Leute dadurch gewinnen? Und natürlich die Fehlerkultur. Diese wird ja zum Glück gerade von der jungen Generation stark gefordert. Sie sagen: Ich kann nur lernen, wenn ich Fehler machen darf, ohne Angst zu haben, gleich sanktioniert zu werden.
Da hat sich in letzter Zeit einiges gewandelt, sich in fast jeder Branche ein Arbeitnehmermarktentwickelt. Wie gelingt es da, gute Mitarbeitende zu halten? Für wie wichtig halten Sie Angebote wie Vier-Tage-Woche, Urlaub ohne Limit, Homeoffice oder Arbeiten vom Urlaubsort aus?
Diese Aspekte haben heutzutage einen hohen Stellenwert. Ich war selbst jahrelang als Geschäftsführerin tätig und habe bei mancher Anfrage innerlich mit den Augen gerollt…
... etwa wenn im Vorstellungsgespräch nach einem Sabbatical gefragt wird?
Ja, wir verstehen uns. Das ist gerade uns älteren Führungskräften fremd. Auf der anderen Seite tun den Unternehmen viele dieser Forderungen gar nicht unbedingt weh. Sie sind aber ungewohnt und Veränderung ist ein Prozess, der auch manchmal irritiert und etwas dauert.
Ein anderer Punkt wird zunehmend wichtig: Wir müssen uns als Unternehmen und damit auch als Führungskräfte um die psychische Gesundheit unserer Mitarbeitenden kümmern. Gute Führung, oder sagen wir besser „wirksame Führung", ist automatisch auch eine Burnout-Prävention. Wenn ich eine wirksame Führungskraft bin, dann gestalte ich die Ziele realistisch, habe einen Blick dafür, wie die Arbeitsstrukturen sind. Wo habe ich zu viel, wo zu wenig Personal? Und wo gibt es eventuell unterschwellige Konflikte? Das ist ein Hauptthema bei Burnout. Führungskräfte Man muss signalisieren: Ich sehe euch, liebe Mitarbeitende, ihr seid mir wichtig. So entsteht Loyalität haben die Pflicht, Konflikte aufzudecken und zu lösen und dürfen nicht sagen: "Macht das unter euch aus."
Gute Mitarbeitende zu halten, bedeutet also vor allem auch deren Arbeitsfähigkeit zu erhalten, physisch und psychisch? Wie kann das gelingen?
Wertschätzung, Anerkennung, Kommunikation. Eine kostbare Wahrung, die leider viel zu häufig unterschätzt wird. Und das Betriebsklima. Das eine ergibt sich häufig aus dem anderen. Führung auf Distanz hat einige weitere Herausforderungen hinzugefügt. Kommunikation ist noch wichtiger geworden. Man muss als Führungskraft noch mehr mit den einzelnen Menschen sprechen und noch mehr nachfragen, wie es ihnen wirklich geht und was sie gerade brauchen.
Und: Man sollte sich selbst auch als Mensch zeigen, Denn auch Führungskräfte sind verletzlich. haben Burnout und da schließt sich wieder der Kreis zur Fehlerkultur. Man muss auch als Führungskraft mal sagen dürfen, ich kann das jetzt gerade noch nicht entscheiden, ich habe noch keine Lösung. Das ist aber in vielen Unternehmen immer noch tabu und dann werden Lösungen rausgehauen, die am Ende revidiert werden müssen. Das schafft Misstrauen.
Wie kann man gerade ältere Führungskräfte befähigen, diese Offenheit zu entwickeln?
"Coaching statt Firmenwagen". Das ist auch das Motto meines Unternehmens. Wir haben in meiner Zeit bei EarsandEyes den Mitarbeitenden viele Goodies geboten, die auf die physische Gesundheit einzahlen. Zum Beispiel einmal im Monat kostenlose Massage, höhenverstellbare Tische, Fußhocker, Obst. Das ist schon gut. Meine junge Kollegin war bei einer I!-Firma, wo den Mitarbeitenden kostenfreie Coaching Sessions angeboten werden. Das zahlt auf die mentale Gesundheit ein, ist lösungsorientiert und fördert die Selbstreflexion.
Menschen wollen sich entwickeln. Und ob die dann im Coaching Ober berufliche oder private Themen sprechen, ist ganz egal, da sich das Berufliche häufig genug ins Private verlagert und umgekehrt. Weil sich beide Bereiche überschneiden.
Und glauben Sie, wenn man so eine Führungs- oder Unternehmenskultur etabliert, dann kommen die Mitarbeitenden von allein?
Employer Branding ist natürlich das große Thema, worüber sich viele Gedanken machen. Und die Förderung der mentalen und physischen Gesundheit, das Betriebsklima, die Unternehmenskultur, also der sogenannte „Ruf in der Branche", ist natürlich ganz wesentlich bei der Arbeitgeber Auswahl. Dazu gehört auch das Off-Boarding. On-Boarding ist in aller Munde. Aber wie verabschiede ich einen Mitarbeitenden sinnvollerweise?
Reisende soll man nicht aufhalten?
Ja, den Spruch habe ich auch schon mal gesagt. Natürlich ist man manchmal traurig oder sogar sauer, wenn ein Mitarbeitender geht. in den man viel investiert hat. Wichtiger ist aber. sich zurückzunehmen und zu fragen: Was hätten wir besser machen können, was hat dir bei uns gefehlt. was wünschst du dir? Warum schlägst du jetzt diesen oder jenen Weg ein? Das ist eine wichtige Aufgabe und so kann ich als Führungskraft und als Unternehmen auch etwas dazulernen.
Wenn man Ihnen so zuhört, könnte man meinen, Führungskraft ist eigentlich ein Vollzeitjob?
Ja, und man denkt häufig am Ende des Tages, was habe ich eigentlich gemacht? Geld reingeholt habe ich jedenfalls nicht. Aber man muss sich klarmachen, wieviel Zeit und Geld es kostet. Mitarbeitende zu verlieren und neue zu finden und einzustellen. Oder welche Folgekosten etwa ein Burnout haben kann. Da könnte in vielen Unternehmen deutlich mehr Zeit in die Weiterentwicklung investiert werden. Führung verwechseln viele immer noch mit den Aufgaben: Ich sag dir, was du zu tun hast, und überprüfe, ob das rechtzeitig und fehlerfrei fertig war. Wie ging es dem Kunden damit und so weiter. Das sind alles Maßstäbe, die wir früher angesetzt haben und die natürlich auch heute noch von Bedeutung sind. Das reicht aber einfach nicht mehr. Man muss zusätzlich signalisieren: Ich sehe dich, lieber Mitarbeitende, du bist mir wichtig, was brauchst du? So entsteht Loyalität.
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